Die Frau ist (nicht nur) der Hammer!

Es ist selten, dass deutsche Jugendmeister auch später im Seniorenalter Titel erreichen. Elke Herzig ist so eine außergewöhnliche Sportlerin. Mit 17 Jahren wurde sie 1974 deutsche Jugendmeisterin im Diskuswurf. Dann legte sie für über 42 Jahre die Wurfgeräte in die Ecke. Jetzt gewann die 65jährige Hockenheimerin bei den Europameisterschaften der Senioren in Portugal drei Goldmedaillen.

Als Kind war zunächst Segelflieger-Modellbau ihr Hobby, weil ihr Vater Fritz Klebert Jugendleiter beim Segelfliegerclub in Hockenheim war. Durch die Schwester kam sie mit sechs Jahren zur Leichtathletik. Und als dort ein Trainer gesucht wurde, sprang ihr Vater, der „bisher von Leichtathletik keine Ahnung hatte“, ein. Er arbeitete sich sein Wissen durch die Lektüre von Fachzeitschriften an. Und brachte seiner Tochter den Mehrkampf bei: „Ich habe alles gemacht.“ Im Weitsprung schaffte sie als Jugendliche beispielsweise 5,45 Meter. „Aber die technischen Disziplinen waren eher was für mich, Lauf war mir zu anstrengend.“ Besonders beim Schleuderball (50,98 mit 16 Jahren), Speerwerfen und Kugelstoßen zeigte sich das Talent der 1,75 Meter großen Athletin mit der langen Arm-Spannweite. „Ich war immer groß und schlank, nicht so schwer wie andere Konkurrentinnen.“ Sie hätte wohl Gewicht zunehmen müssen, um weiterhin an der Spitze zu bleiben.

Nach dem deutschen Titel hörte sie aber wegen der Ausbildung zur Wirtschaftskorrespondentin für Spanisch mit dem Sport auf. Dann waren Beruf und Familie (zwei Jungs) wichtiger. Vier Jahrzehnte später begann sie „just for fun“ wieder mit der Leichtathletik. Bei einem Wettkampf begegnete sie Trainer Werner Heger vom TSV Oftersheim. Dieser lud sie zum Training ein: „Komm doch mal vorbei.“ Der Einladung folgte sie jedoch erst ein Jahr später.

Gleich bei den ersten Meisterschaften 2016 kamen die Erfolge: deutsche Seniorenmeisterin im Diskus, Vizemeisterin im Kugelstoßen. Viele Titel folgten. Im Wurf-Fünfkampf (Hammer, Diskus, Kugel, Speer und Gewicht) stellte sie den badischen Rekord und deutschen Seniorenrekord auf.

Dass das Hammerwerfen inzwischen auch für Frauen eingeführt wurde, war eine neue Motivation für sie. Sie kaufte sich einfach einen Hammer, lernte bei dem Hasslocher Trainer Kurt Büttler die komplizierte Technik. Sie fährt auch zu den Mutterstadter Rasenkraftsportlern, unter der Leitung des Trainers Lutz Caspers (Olympia-Teilnehmer in Mexico City 1968 im Hammerwerfen). Im Winter gerne in die Ludwigshafener Leichtathletikhalle. „Corona hat mich sehr nach hinten geworfen“. Denn als die Sportplätze und -hallen geschlossen waren, versuchte sie auf dem freien Feld zu trainieren. „Das war zu gefährlich. Man musste ja auf Spaziergänger Rücksicht nehmen.“

Bisheriger Höhepunkt ihrer Seniorenkarriere waren nun die Europameisterschaften: Sie gewann in der W65 den Diskuswurf, das Hammerwerfen und Gewichtwurf (ähnlich wie Hammer, aber an einer kürzeren Kette). Neben dem viermaligen Training geht sie zwei Mal pro Woche morgens zehn Kilometer Walken. „Ich konnte mir ein Leben ohne Arbeit nicht vorstellen, aber jetzt genieße ich es, die Freizeit zu haben.“ Zur gesunden Ernährung genehmigt sie sich auch „mal ein Bierchen am Abend, das gehört dazu!“

Birgit Schillinger